Was man nicht auf den ersten Blick sieht: Sonnenhausen – eine kleine Insel für Flora und Fauna statt Intensivlandwirtschaft.
Heutzutage ist es nicht leicht, mit Landwirtschaft Geld zu verdienen: entweder man ist groß und macht alles intensiv, oder man hält alles in einem kleinen, überschaubaren und natürlichen Rahmen. Für Letzteres haben wir uns entschieden – und machen das in Sonnenhausen und Herrmannsdorf bekanntlich seit vielen Jahren.
In der Intensivlandwirtschaft und im Intensivwaldbau haben wir heute nur noch wenige Sorten von Getreide, Mais, Mähwiese und Wald. Entsprechend dürftig sieht das sogenannte Habitat für unsere Wildtiere, Vögel, Schmetterlinge und andere Insekten, aber auch seltenere Pflanzen, Pilze, Flechten und Bakterien aus: die meisten finden nicht den Lebensraum, den sie zum Überleben brauchen.
Wussten Sie, daß es Bäume gibt, die Habitat für bis zu 250 verschiedener Insektenarten, Vögel, Begleitpflanzen und Kleinstlebewesen bieten? Alles fast unsichtbar, wenn man es nicht weiss. Wenn man mal hochrechnet, wie viele von diesen überleben könnten, wird es einem ganz schwindelig. Wir fahren durch die aufgeräumten Landschaften und denken: ist doch alles prima hier. Leider trügt der Schein.
Wir in Sonnenhausen leben nicht von der Landwirtschaft, das gebe ich zu. Deshalb haben wir es vielleicht etwas leichter mit unseren Naturschutzprojekten, Biolandwirtschaft und unserem Gartenbau, mit unseren ausgewiesenen Ruheflächen für Pflanzen und Tieren, mit unseren sorgfältig angelegten oder beschützten bestehenden Biotopen. Die fälschlich so genannten Unkräuter sind bei uns Beikräuter, die sonst einfach „weggespritzt“ werden, mit so undurchsichtigen und gefährlichen Substanzen wie Glyphosat (=Round up von Monsanto, aber auch in praktischen Spritzflaschen für Hobbygärtner enthalten).
Wenn Sie entlang unseres Höhenweges gehen, sehen Sie unsere neue Anpflanzung von Nutz- und Edelhölzern, Heistern und kleineren bodendeckenden Pflanzen. Etwa 4600 Pflanzen haben wir gesetzt, auch für den Ausgleich für zukünftige Ausbauten in Sonnenhausen für mehr Gästebereiche und –zimmer. Wir haben außerdem hier den Boden so modelliert, dass unterschiedliche Bodenqualitäten durch mehr oder weniger Humusabdeckung, Licht und Schatten und Wasserrückhaltung entstehen. Damit siedeln sich auch unterschiedliche Pflanzensozietäten dauerhaft und stabil dort an. Es entsteht ein Gleichgewicht auf höherer Ebene.
Unser Förster für den uns umgebenden Staatswald und unsere eigenen Mitarbeiter in der Landwirtschaft für unseren eigenen Wald verstehen sich auch als Naturschützer, denn sie entwickeln durch die Schaffung von kleinen und größeren Lichtungen und die Freistellung einzelner erhaltenswerter Baumarten Habitat für mehr Vielfalt im Wald, und da geht es auch nicht nur um die diversen Baum- und Buscharten selbst, sondern wieder um die vielen anderen Spezies, die von jeweils einem Baum oder Busch leben. Das habe ich auch erst begreifen müssen.
Wir hätten auch mehr Tiere haben können, Rinder zum Beispiel wie früher, aber wir haben uns bewusst und bis auf Weiteres für weniger Tierbesatz entschieden, um der Natur hier in Sonnenhausen Ruhe zu verordnen: die große Wiese im Osten dankt es mit einer von Jahr zu Jahr steigenden Vielfalt an Gräsern und sogar wilden Erdbeeren und anderen essbaren Dingen wie Wegerich, Giersch oder Wermut. Haben Sie schon mal junge Brennesseln geröstet und mit grobem Meersalz serviert? Nussig lecker und dabei absolut blutreinigend.
Machen Sie doch mal in einer Pause einen Spaziergang, setzen Sie sich auf einer der drei Bänke am Höhenweg, schauen Sie in die Ferne und lassen Sie die Vielfalt der Natur und die Ruhe auf Ihre Seele wirken. Das ist für mich der ideale Platz zum Reflektieren, also zum Verarbeiten allem jüngst Erlebten. Wir machen das viel zu selten.
Georg Schweisfurth