Nun steht das Kunstwerk von BEATE SCHUBERT, Tabula Rasa-End Game, immer noch auf dem Dachboden. Es gehört endlich wieder unter die Leute, denn es ist hochaktuell: die drei alten Frauen rechen stoisch den Elektroschrott zusammen – vielleicht den der alten Männerwelt? Eine eindrückliche Arbeit der Münchner Künstlerin, die Abgüsse echter Menschen aus Porcellin, Kunststoff, Plaster uvm. erstellte.
Die Magie und Ausdruckkraft ihrer Skulpturen hat es uns damals angetan, so in den 90ern. Es sind, wie man sehen kann, sozialkritische Themen, die für Beate Schubert im Vordergrund stehen. In Herrmannsdorf ( Talking Silence I und Fast Food) und Sonnenhausen (Tabula Rasa – End Game) befinden sich mehrere Werke von Beate Schubert, die leider kürzlich verstarb. Sie finden bei uns auch die imposante Leihgabe ihrer Tochter Michaela, und zwar im „Atelier“ im ehemaligen Pferdestall Ost hier in Sonnenhausen: ein Werk ihrer Mutter mit Namen UBUNTU. Ubuntu besteht aus einer weiblichen Figur und 5 Köpfen südafrikanischer Frauen aus den townships – alle in Lebensgröße 1 zu 1. Also nicht erschrecken! Schau in ihre Gesichter – sie schauen Dich an. Danke, Michaela.

Raus aus den Museen…
Tabula Rasa – End Game ist eines von vielen Kunstwerken diverser Künstler in Sonnenhausen, die sich dem Betrachter erst allmählich erschließen, wenn er sich ein wenig auf die ungewöhnlichen Werke eingelassen hat. Diese finden Sie drinnen und draußen. Manches ist noch von unserem Großvater, vieles von unserem Vater, einiges von mir selbst angeschafft worden. Ich setze das Sammeln in ihrem Geiste fort. Die Werke sind nicht nur aufgereiht in der Natur, sondern auch in den diversen Tagungsräumen, den Fluren, den Gästezimmern und den Speiseräumen. „Raus aus den Museen dahin, wo die Menschen arbeiten und leben“, pflegte unser Vater immer zu sagen. Er hat das vor 50 Jahren schon in seinen Herta-Fabriken so gemacht. Ihnen wird auffallen, dass häufig die Beziehung zwischen (Nutz)Tier und Mensch thematisiert wird, der Gute Hirte zum Beispiel bei MIMMO PALADINO´S Umzingelt im Innenhof. Manchmal geht es auch um Tod, die Vergänglichkeit unserer Existenzen und Mitgeschöpfe, der Tiere. Nicht immer easy. Es hilft ja nichts: wir müssen uns mit dem Tod auseinandersetzen, als Fleischesser (wenn wir´s sind), der Moment, an dem aus dem Tier Fleisch wird, und auch im Zusammenhang mit der eigenen Vergänglichkeit. Die unbändige Coronaangst zeigt, dass dafür noch Luft nach oben ist.

Neu, uralt oder auch mal witzig
Don´t worry – auch geschmeidige Landschaftsgemälde sind dabei – neu und uralt. Auch witzige Sachen von DANIEL SPOERRI, dem Eat-Art-Künstler aus Köln: say it with flowers und Table au Piège aus den frühen Siebzigern.

HA SCHULT hat einen Trash Man hinterlassen. Einen von 1000 aus Müll gefertigten lebensgroßen Männern – hier aus Coladosen, zu finden in der Magistrale des Bauernhauses oder im Sommer draußen am Eingang des Farmer`s Club. Ganz neu: Eine der 250 abgewrackten BILDZEITUNGS-BOXEN aus Köln, die HA gestaltet hat. Seit 50 (!) Jahren beschäftigt sich dieser Mann mit dem Thema Müll – und weist schon sehr früh auf dieses gigantische Problem hin, das bis heute ein stark wachsendes und ungelöstes Weltproblem ist. So auch in seinem Werk Atomic Star im Kapellsaalgang. Manchmal sehe ich einen Menschen, der stehenbleibt und die unglaublich zerstörte Miniaturwelt in diesem Glaskasten betrachtet. 1986 schaut HA auf die USA von heute – und es ist, glaub ich, auch so eingetroffen.

Kunst gehört immer dazu
Es geht bei allen Kunstwerken in Sonnenhausen und Herrmannsdorf nicht vordergründig um Schönheit, Schmuck, Zierde, sondern soll unsere Hirne ein bisschen auf Trab bringen. Schönheit passiert dann eher beiläufig. Auch mal schmunzeln, auch mal nachdenken. Gedanken werden vielleicht zu Ideen. Sonnenhausen ist der Ort dafür.
Ich werde mich in diesem Blog immer wieder zu bestimmten Kunstwerken melden. Es ist dann meine eigene Betrachtungsart, die nicht Ihre sein muss. Ich erkläre Kunst nämlich ungern. Wenn man mich fragt: Was soll uns dieses Gemälde oder diese Skulptur sagen? Dann antworte ich immer: Jeder hat einen anderen Zugang, und der hängt von Ihrer Tagesform ab und auch vom Grad der Freiheit und der Zeit, die Sie sich bei der Betrachtung gönnen.
Herzlichst Ihr Georg Schweisfurth